Was ist die soziale Diagnose?

Antwort

Die soziale Diagnose ist ein zentrales Konzept in der Sozialen Arbeit und beschreibt den Prozess der systematischen Erfassung, Analyse und Bewertung der sozialen Situation eines Menschen oder einer Gruppe. Ziel ist es, die Lebenslage, Ressourcen, Probleme und Bedarfe einer Person oder eines sozialen Systems zu verstehen, um darauf aufbauend geeignete Unterstützungsmaßnahmen zu planen. **Kernpunkte der sozialen Diagnose:** 1. **Definition:** Die soziale Diagnose ist die fachliche Einschätzung und Beschreibung der sozialen Situation eines Menschen, einer Familie oder einer Gruppe. Sie bildet die Grundlage für das weitere sozialarbeiterische Handeln. 2. **Ziele:** - Verstehen der individuellen Lebenslage und Problemlage - Erkennen von Ressourcen und Stärken - Identifikation von Risiken und Gefährdungen - Entwicklung von Handlungsperspektiven und Interventionsplänen 3. **Ablauf/Phasen:** - **Informationssammlung:** Gespräche, Beobachtungen, Aktenanalyse, Einbezug von Dritten - **Analyse:** Strukturierung und Bewertung der Informationen - **Bewertung:** Einschätzung der Situation, Prognose, Benennung von Handlungsbedarfen - **Dokumentation:** Schriftliche Festhaltung der Diagnose als Grundlage für weitere Arbeit 4. **Methoden:** - Gespräche/Interviews - Sozialanamnese - Lebensweltanalyse - Netzwerkanalyse - Nutzung von Diagnoseinstrumenten (z.B. ICF, Lebenslagenansatz) 5. **Theoretische Grundlagen:** Die soziale Diagnose basiert auf verschiedenen Theorien, z.B. dem systemischen Ansatz, dem Lebenslagenkonzept oder der Lebensweltorientierung. 6. **Bedeutung:** Sie ist Voraussetzung für professionelle Hilfeplanung, Fallverstehen und die Entwicklung passgenauer Unterstützungsangebote. Sie dient auch der Qualitätssicherung und Nachvollziehbarkeit sozialarbeiterischer Entscheidungen. 7. **Abgrenzung zur medizinischen Diagnose:** Während die medizinische Diagnose auf körperliche oder psychische Erkrankungen fokussiert, betrachtet die soziale Diagnose das gesamte soziale Umfeld, Beziehungen, gesellschaftliche Bedingungen und individuelle Ressourcen. 8. **Geschichte:** Das Konzept wurde maßgeblich von Mary Ellen Richmond (1861–1928) entwickelt, einer Pionierin der Sozialen Arbeit. Ihr Werk „Social Diagnosis“ (1917) gilt als Meilenstein. **Weiterführende Literatur und Links:** - Mary Ellen Richmond: [Social Diagnosis (englisch)](https://archive.org/details/socialdiagnosis00richgoog) - Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit: [DBSH – Soziale Diagnosen](https://www.dbsh.de/) - [Lebenslagenansatz – Bundeszentrale für politische Bildung](https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-sozialen-arbeit/17713/lebenslagenansatz/) **Zusammenfassung:** Die soziale Diagnose ist ein strukturierter, professioneller Prozess, der die Grundlage für zielgerichtete und wirksame Soziale Arbeit bildet. Sie betrachtet den Menschen in seinem sozialen Kontext und ermöglicht individuelle, passgenaue Hilfen.

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