Hans Kelsen, ein bedeutender Rechtsphilosoph, beantwortet die Frage nach der Rechtsgeltung im Rahmen seiner Reinen Rechtslehre. Kelsen argumentiert, dass die Geltung des Rechts nicht auf moralischen oder sozialen Faktoren beruht, sondern auf einer normativen Struktur, die er als "Grundnorm" bezeichnet. Die Grundnorm ist eine hypothetische, grundlegende Norm, die nicht weiter begründet wird, sondern als Ausgangspunkt für die Geltung des gesamten Rechtssystems dient. Sie ist die oberste Norm, von der alle anderen Normen abgeleitet werden. In einem Rechtsstaat könnte die Grundnorm beispielsweise lauten: "Die Verfassung ist zu befolgen." Kelsen betont, dass die Geltung des Rechts unabhängig von seiner tatsächlichen Befolgung oder Wirksamkeit ist. Ein Gesetz gilt, weil es gemäß der Grundnorm erlassen wurde, und nicht, weil es tatsächlich befolgt wird oder moralisch gerechtfertigt ist. Zusammengefasst basiert Kelsens Antwort auf die Frage nach der Rechtsgeltung auf der Idee einer Grundnorm, die die normative Grundlage für die Geltung des gesamten Rechtssystems bildet.