Tacitus' Werk "Germania" spielt eine bedeutende Rolle für das historische und kulturelle Bild der Germanen. Geschrieben um 98 n. Chr., bietet es eine der frühesten und detailliertesten Beschreibungen der germanischen Stämme aus der Sicht eines römischen Historikers. Tacitus beschreibt die Sitten, Bräuche, Gesellschaftsstrukturen und geografischen Verhältnisse der Germanen, oft im Kontrast zur römischen Kultur. Seine Darstellung hat das Bild der Germanen in der europäischen Geschichtsschreibung stark geprägt. Besonders im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde "Germania" oft nationalistisch interpretiert und instrumentalisiert, um ein idealisiertes Bild der Germanen als edle Wilde und Vorfahren moderner europäischer Nationen zu zeichnen. Tacitus' Werk wurde dabei manchmal als Beleg für eine vermeintlich ursprüngliche Reinheit und Tugendhaftigkeit der Germanen herangezogen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Tacitus' Beschreibungen auch von römischen Vorurteilen und politischen Motiven beeinflusst sein könnten. Seine Schilderungen sind nicht unbedingt objektive Berichte, sondern können auch als literarische und rhetorische Mittel verstanden werden, um Kritik an der römischen Gesellschaft zu üben. Insgesamt hat "Germania" einen nachhaltigen Einfluss auf das historische Verständnis und die kulturelle Wahrnehmung der Germanen ausgeübt, sowohl in der Wissenschaft als auch in der populären Vorstellung.