Judith Butler und Pierre Bourdieu sind zwei zentrale Theoretiker*innen, die sich mit Körper, Herrschaft und Transformation beschäftigen, aber aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven argumentieren. **1. Körper** - **Bourdieu:** Der Körper ist für Bourdieu ein „Träger“ von Habitus. Der Habitus ist ein System von Dispositionen, das durch Sozialisation in bestimmten sozialen Feldern entsteht. Körperliche Praktiken, Gesten, Geschmack und Haltung sind Ausdruck sozialer Prägung und spiegeln die soziale Herkunft wider. Der Körper ist also ein „inkorporiertes“ soziales Gedächtnis. - Beispiel: Wie man sitzt, spricht oder isst, ist Ausdruck des sozialen Habitus. - **Butler:** Butler sieht den Körper als Produkt diskursiver Praktiken. In „Gender Trouble“ argumentiert sie, dass Geschlecht (Gender) nicht einfach am Körper „haftet“, sondern durch wiederholte Performanz hervorgebracht wird. Der Körper ist nicht einfach natürlich, sondern wird durch gesellschaftliche Normen und Diskurse geformt. - Beispiel: Weiblichkeit und Männlichkeit werden durch wiederholte Handlungen und gesellschaftliche Erwartungen am Körper „inszeniert“. **2. Herrschaft** - **Bourdieu:** Herrschaft funktioniert bei Bourdieu über symbolische Macht. Die herrschenden Klassen setzen ihre kulturellen und sozialen Normen als allgemeingültig durch, sodass sie als „natürlich“ erscheinen. Herrschaft ist oft unsichtbar, weil sie im Habitus und in den sozialen Feldern verankert ist. - Beispiel: Bildungssysteme reproduzieren soziale Ungleichheiten, indem sie bestimmte kulturelle Kompetenzen bevorzugen. - **Butler:** Butler analysiert Herrschaft vor allem als Macht der Normen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht und Sexualität. Sie folgt Michel Foucault und sieht Macht als produktiv: Sie schafft Subjekte, indem sie Normen setzt, was als „normal“ oder „abnormal“ gilt. Herrschaft wirkt durch Diskurse, die festlegen, welche Körper und Identitäten anerkannt werden. - Beispiel: Heteronormativität als gesellschaftliche Norm, die andere Lebensweisen marginalisiert. **3. Transformation** - **Bourdieu:** Transformation ist bei Bourdieu schwierig, weil der Habitus sehr stabil ist und sich nur langsam verändert. Veränderungen sind möglich, wenn Individuen in neue soziale Felder geraten oder wenn sich die Felder selbst wandeln. Transformation ist also meist ein langsamer, kollektiver Prozess. - Beispiel: Soziale Mobilität durch Bildung ist möglich, aber durch den Habitus begrenzt. - **Butler:** Butler sieht Transformation in der Möglichkeit, Normen zu unterlaufen oder zu „subvertieren“. Durch das „Performen“ von Geschlecht auf unerwartete Weise können dominante Normen infrage gestellt werden. Transformation ist also durch kreative Wiederholung und Abweichung möglich. - Beispiel: Drag-Performances zeigen, dass Geschlecht nicht natürlich, sondern gemacht ist, und können so gesellschaftliche Vorstellungen verändern. **Zusammenfassung:** - **Bourdieu** betont die soziale Prägung des Körpers durch Habitus und die Reproduktion von Herrschaft durch symbolische Macht; Transformation ist schwierig und langsam. - **Butler** sieht den Körper als Produkt diskursiver Praktiken, Herrschaft als Macht der Normen und Transformation als Möglichkeit der Subversion durch Performativität. **Weiterführende Links:** - [Judith Butler – Wikipedia](https://de.wikipedia.org/wiki/Judith_Butler) - [Pierre Bourdieu – Wikipedia](https://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Bourdieu)