Johann Wolfgang von Goethe wird oft primär als Dichter und Dramatiker wahrgenommen, jedoch hatte er auch ein tiefes Interesse an Naturwissenschaften. Seine naturwissenschaftlichen Arbeiten, insbesondere in den Bereichen Farbenlehre, Botanik und Morphologie, zeigen seine Bemühungen, die Natur zu verstehen und zu beschreiben. Goethes Farbenlehre, veröffentlicht 1810, stellt einen Kontrapunkt zu Isaac Newtons Theorie des Lichts dar. Goethe betrachtete Farben nicht nur als physikalische Phänomene, sondern auch als subjektive Erfahrungen, die stark mit der menschlichen Wahrnehmung verbunden sind. Er untersuchte, wie Farben durch Licht und Schatten entstehen und wie sie vom menschlichen Auge wahrgenommen werden. In der Botanik beschäftigte sich Goethe mit der Morphologie von Pflanzen. Er entwickelte die Idee des "Urpflanze", einer hypothetischen Urform, aus der alle Pflanzenarten hervorgegangen sein könnten. Diese Überlegungen trugen zur Entwicklung der modernen Pflanzenanatomie und -systematik bei. Goethes naturwissenschaftliche Ansätze waren oft ganzheitlich und interdisziplinär, was ihn von vielen seiner Zeitgenossen unterschied. Er sah die Natur als ein dynamisches und lebendiges System, das nicht nur durch analytische Methoden, sondern auch durch intuitive Einsicht erfasst werden kann. Diese Perspektive hat ihn zu einem wichtigen Vorläufer der modernen Naturphilosophie gemacht.