An einem warmen Spätsommernachmittag schloss Frau Hagedorn behutsam die Tür ihrer kleinen Wohnung in der Mathildenhöhe hinter sich. Die Sonne warf goldenes Licht auf die Jugendstilfassaden, und ein leiser Wind trug den Duft von reifen Lindenblüten durch die Straßen. Ihr Spazierstock klopfte sanft auf das Kopfsteinpflaster, während sie langsam die Alexanderstraße entlangging. Frau Hagedorn liebte diese Zeit des Jahres. Die Hitze des Sommers war vergangen, aber die Tage waren noch lang und freundlich. Sie kannte Darmstadt seit ihrer Kindheit, hatte die Stadt wachsen und sich verändern sehen. Doch manche Dinge blieben gleich: das leise Summen der Straßenbahn, das Lachen der Kinder im Herrngarten, das Zwitschern der Spatzen auf dem Ludwigsplatz. Heute führte ihr Weg sie zum Park Rosenhöhe. Sie setzte sich auf eine Bank unter einer alten Kastanie und betrachtete die letzten Rosen, die noch in voller Blüte standen. Ein junger Mann joggte vorbei, nickte ihr freundlich zu. Sie lächelte zurück und erinnerte sich an die Zeiten, als sie selbst mit ihren Kindern hier gespielt hatte. Langsam schlenderte sie weiter, vorbei am Hochzeitsturm, dessen Silhouette sich gegen den blauen Himmel abzeichnete. Sie blieb stehen, um die Aussicht zu genießen. Die Stadt lag ihr zu Füßen, und in der Ferne konnte sie sogar die Türme der Universität erkennen. Auf dem Rückweg kaufte sie sich am kleinen Bäcker in der Nähe des Marktplatzes ein Stück Streuselkuchen. Mit dem süßen Geschmack auf der Zunge und dem Gefühl, Teil dieser lebendigen Stadt zu sein, kehrte sie zufrieden nach Hause zurück. Der Spaziergang hatte ihr Herz leicht gemacht – und sie wusste, dass sie morgen wiederkommen würde, um neue Erinnerungen zu sammeln.