Das Konzept der "abyssal line" (Abgrundlinie) von Boaventura de Sousa Santos bezieht sich auf eine metaphorische Linie, die die Welt in zwei ungleiche Teile teilt: den globalen Norden und den globalen Süden. Diese Linie repräsentiert eine epistemische und soziale Trennung, die durch koloniale und kapitalistische Machtstrukturen aufrechterhalten wird. Auf der einen Seite der Linie befinden sich die privilegierten Wissenssysteme und sozialen Ordnungen des globalen Nordens, die als universell und überlegen betrachtet werden. Auf der anderen Seite der Linie befinden sich die marginalisierten und oft unsichtbaren Wissenssysteme und sozialen Ordnungen des globalen Südens, die als minderwertig oder irrelevant angesehen werden. De Sousa Santos argumentiert, dass diese Trennung tief in die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen eingebettet ist und dass sie dazu dient, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten aufrechtzuerhalten. Er plädiert für eine "Ökologie des Wissens", die verschiedene Wissenssysteme anerkennt und respektiert, um eine gerechtere und inklusivere Welt zu schaffen.