Warum verlieren Menschen unter extremem Stress Blasen- oder Darmkontrolle, obwohl der Sympathikus diese eigentlich erhält?

Antwort

Der Sympathikus, also der Teil des vegetativen Nervensystems, der bei Stress („Kampf-oder-Flucht“-Reaktion) aktiviert wird, sorgt tatsächlich normalerweise dafür, dass Blasen- und Darmfunktion gehemmt werden: Die Blasenmuskulatur (Detrusor) wird gehemmt, der innere Schließmuskel kontrahiert – das verhindert das Wasserlassen. Ähnliches gilt für den Darm. Trotzdem kann es unter extremem Stress, Schock oder Todesangst zu unwillkürlichem Harn- oder Stuhlabgang kommen. Das liegt daran, dass bei extremen, traumatischen Situationen nicht nur der Sympathikus, sondern auch andere Mechanismen greifen: 1. **Überwältigende Stressreaktion:** Bei extremem Stress kann es zu einer „Übersteuerung“ des vegetativen Nervensystems kommen. Die Kontrolle über die Schließmuskeln kann verloren gehen, weil die zentrale Steuerung im Gehirn (v.a. im Frontalhirn) kurzfristig aussetzt. 2. **Vagotoner Kollaps:** In manchen Fällen kann nach einer initialen sympathischen Aktivierung ein starker Umschwung in Richtung Parasympathikus (Vagusreiz) erfolgen, z.B. bei Ohnmacht oder Schock. Der Parasympathikus fördert die Entleerung von Blase und Darm. 3. **Schutzmechanismus:** Es wird vermutet, dass die plötzliche Entleerung von Blase und Darm in Todesangst evolutionär ein Schutzmechanismus war, um das Körpergewicht zu reduzieren und die Flucht zu erleichtern oder Raubtiere abzuschrecken. Zusammengefasst: Unter „normalem“ Stress hält der Sympathikus die Kontrolle über Blase und Darm. Bei extremem, traumatischem Stress oder Schock kann es jedoch zu einer Enthemmung oder zu einer Dominanz des Parasympathikus kommen, was den Kontrollverlust erklärt.

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