Juri Lotman, ein bedeutender Semiotiker und Literaturwissenschaftler, entwickelte das Konzept von „Zentrum und Peripherie“ im Rahmen seiner Arbeiten zur Semiotik der Kultur und zur Struktur von semiosphärischen Systemen. **Kernpunkte des Konzepts:** - **Zentrum:** Das Zentrum einer Kultur oder eines semiotischen Systems ist der Bereich, in dem die wichtigsten, normgebenden Codes, Werte und Bedeutungen konzentriert sind. Hier befinden sich die „offiziellen“ oder dominanten Diskurse, die als maßgeblich für die Identität und Organisation des Systems gelten. Das Zentrum ist oft mit Macht, Autorität und Stabilität verbunden. - **Peripherie:** Die Peripherie umfasst die Randbereiche des Systems, in denen alternative, marginalisierte oder weniger normierte Codes und Bedeutungen existieren. Hier finden Innovation, Experimente und Überschreitungen statt. Die Peripherie ist flexibler, offener für Veränderungen und oft ein Ort der kulturellen Dynamik. **Funktion und Dynamik:** Lotman betont, dass Zentrum und Peripherie in einem ständigen Wechselspiel stehen. Innovationen und neue Bedeutungen entstehen häufig an der Peripherie und können, wenn sie sich durchsetzen, ins Zentrum wandern. Umgekehrt kann das Zentrum versuchen, die Peripherie zu kontrollieren oder zu assimilieren. **Beispiel:** In einer Sprache ist das Zentrum die standardisierte Hochsprache, während Dialekte, Slangs oder Minderheitensprachen die Peripherie bilden. Neue sprachliche Entwicklungen entstehen oft in der Peripherie und können später ins Zentrum übernommen werden. **Weiterführende Literatur:** - Juri Lotman: „Die Struktur literarischer Texte“ - Juri Lotman: „Die Semiosphäre“ - [Wikipedia-Artikel zu Juri Lotman](https://de.wikipedia.org/wiki/Juri_Michailowitsch_Lotman) Das Konzept ist zentral für das Verständnis von kulturellen Prozessen, Wandel und Innovation in Lotmans Theorie.