Der poetische Realismus, der etwa von 1848 bis 1890 in der deutschsprachigen Literatur vorherrschte, unterscheidet sich von anderen Epochen durch mehrere charakteristische Merkmale: 1. **Darstellung der Wirklichkeit**: Im Gegensatz zum Idealismus der Romantik oder der Subjektivität des Sturm und Drang, strebt der poetische Realismus eine realistische Darstellung der Wirklichkeit an. Dabei wird jedoch die Realität nicht nur nüchtern und objektiv beschrieben, sondern auch ästhetisch und poetisch gestaltet. 2. **Alltagsleben und bürgerliche Welt**: Die Autoren des poetischen Realismus konzentrieren sich oft auf das Alltagsleben und die bürgerliche Welt. Sie schildern das Leben der Menschen in ihrer alltäglichen Umgebung und legen Wert auf detaillierte und genaue Beschreibungen. 3. **Verklärung der Realität**: Obwohl die Realität realistisch dargestellt wird, erfolgt oft eine gewisse Verklärung oder Idealisierung. Die Autoren versuchen, das Schöne im Alltäglichen zu finden und hervorzuheben. 4. **Psychologische Tiefe**: Charaktere werden oft mit großer psychologischer Tiefe dargestellt. Die inneren Konflikte und Entwicklungen der Figuren stehen im Vordergrund. 5. **Gesellschaftskritik**: Während die Darstellung der Realität im Vordergrund steht, wird oft auch eine subtile Gesellschaftskritik geübt. Die Autoren thematisieren soziale Missstände und Ungerechtigkeiten, ohne jedoch zu radikal oder revolutionär zu wirken. 6. **Sprache und Stil**: Die Sprache im poetischen Realismus ist klar, präzise und oft von einer gewissen Eleganz geprägt. Es wird Wert auf stilistische Feinheiten und eine ästhetische Gestaltung des Textes gelegt. Bekannte Vertreter des poetischen Realismus sind Theodor Fontane, Gottfried Keller und Wilhelm Raabe. Ihre Werke zeichnen sich durch die oben genannten Merkmale aus und bieten einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen und individuellen Realitäten ihrer Zeit.