Die Tragödie "Andromaque" von Jean Racine, uraufgeführt 1667, kann als ein Beispiel für den Konflikt der "Querelle des Anciens et des Modernes" betrachtet werden, der im späten 17. Jahrhundert in Frankreich stattfand. Dieser Konflikt drehte sich um die Frage, ob die Literatur und Kunst der Antike (die "Anciens") als unübertroffenes Vorbild gelten sollten oder ob die moderne Literatur und Kunst (die "Modernes") gleichwertig oder sogar überlegen sein könnten. "Andromaque" veranschaulicht diesen Konflikt auf mehrere Weisen: 1. **Themenwahl und Quellen**: Racine wählte ein Thema aus der griechischen Mythologie, das auf den Trojanischen Krieg zurückgeht, und orientierte sich an den Werken antiker Autoren wie Euripides und Vergil. Dies zeigt seine Wertschätzung für die klassischen Vorbilder und seine Zugehörigkeit zur Seite der "Anciens". 2. **Form und Struktur**: Die Tragödie folgt den strengen Regeln der klassischen Dramentheorie, wie sie von Aristoteles in seiner "Poetik" beschrieben wurden. Dazu gehören die Einheit von Ort, Zeit und Handlung sowie die Verwendung von Alexandrinern. Dies unterstreicht Racines Respekt für die klassischen Normen und seine Bemühungen, diese in seiner eigenen Arbeit zu bewahren. 3. **Psychologische Tiefe und Emotionen**: Gleichzeitig bringt Racine eine moderne Sensibilität in seine Charakterdarstellungen ein. Die Figuren in "Andromaque" sind komplex und zeigen tiefe emotionale Konflikte, die über die eher typisierten Charaktere der antiken Tragödie hinausgehen. Dies könnte als ein Beitrag zur Seite der "Modernes" gesehen werden, die für Innovation und die Weiterentwicklung der Kunst plädierten. 4. **Rezeption und Kritik**: Die Aufführung und der Erfolg von "Andromaque" trugen zur Debatte zwischen den "Anciens" und "Modernes" bei. Während einige Kritiker Racine für seine Treue zu den klassischen Vorbildern lobten, sahen andere in seiner psychologischen Tiefe und emotionalen Intensität eine moderne Weiterentwicklung der Tragödienkunst. Insgesamt zeigt "Andromaque" von Jean Racine, wie ein Werk sowohl die klassischen Traditionen respektieren als auch neue, moderne Elemente einführen kann, und spiegelt damit den Kern des Konflikts der "Querelle des Anciens et des Modernes" wider.