Wie war die Situation für Mehrfachbehinderte in Behindertenheimen der 60er Jahre?

Antwort

In den 1960er Jahren war die Situation für mehrfachbehinderte Menschen in den Heimen der Behindertenhilfe in Deutschland und vielen anderen Ländern oft sehr schwierig und von zahlreichen Missständen geprägt. Die wichtigsten Merkmale dieser Zeit lassen sich wie folgt zusammenfassen: **1. Institutionalisierung und Ausgrenzung:** Menschen mit Mehrfachbehinderungen wurden meist in große, oft abgelegene Heime eingewiesen. Die Unterbringung erfolgte häufig lebenslang, da es kaum ambulante oder familienunterstützende Angebote gab. Die Heime waren meist geschlossen und von der Gesellschaft isoliert. **2. Mangel an individueller Förderung:** Es herrschte ein medizinisch-pflegerisches Verständnis von Behinderung vor. Pädagogische oder therapeutische Angebote waren selten oder fehlten ganz. Die Förderung der individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse stand kaum im Mittelpunkt. **3. Lebensbedingungen:** Die Lebensbedingungen in den Heimen waren oft schlecht: Überbelegung, mangelnde Privatsphäre, wenig persönliche Zuwendung und häufig auch hygienische und bauliche Mängel. Die Bewohner*innen hatten wenig Mitspracherecht und mussten sich einem strikten Tagesablauf unterordnen. **4. Fehlende gesellschaftliche Teilhabe:** Mehrfachbehinderte Menschen galten als „bildungsunfähig“ und wurden von Bildung, Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe weitgehend ausgeschlossen. Sie hatten kaum Möglichkeiten, Kontakte außerhalb der Einrichtung zu pflegen. **5. Stigmatisierung und Diskriminierung:** In der Gesellschaft herrschten Vorurteile und Stigmatisierungen gegenüber Menschen mit Behinderungen. Dies spiegelte sich auch in der Behandlung und im Umgang in den Heimen wider. **6. Mangel an qualifiziertem Personal:** Das Personal war oft nicht ausreichend ausgebildet, um auf die komplexen Bedürfnisse mehrfachbehinderter Menschen einzugehen. Die Betreuung war häufig von Überforderung und Unterbesetzung geprägt. **7. Beginnende Reformen:** Erst gegen Ende der 1960er Jahre und verstärkt in den 1970er Jahren setzte ein Umdenken ein, das zu Reformen in der Behindertenhilfe führte. Es entstanden neue Konzepte wie die „Normalisierung“ und die Forderung nach Integration und Inklusion. **Fazit:** Die Situation für mehrfachbehinderte Menschen in den Heimen der 1960er Jahre war von Ausgrenzung, mangelnder Förderung und schlechten Lebensbedingungen geprägt. Erst spätere Reformen führten zu Verbesserungen und einer stärkeren Orientierung an den Bedürfnissen und Rechten der Betroffenen. Weitere Informationen findest du z.B. bei der [Bundeszentrale für politische Bildung](https://www.bpb.de/themen/gesundheit/inklusion/197755/geschichte-der-behindertenhilfe/) oder im [Deutschen Historischen Museum](https://www.dhm.de/lemo/kapitel/teilhabe-und-inklusion/behindertenhilfe.html).

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