Warum haben seit der Wiedervereinigung Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikale Gewalt in Deutschland zugenommen?

Antwort

Seit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 ist ein Anstieg von Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikaler Gewalt insbesondere in den neuen Bundesländern zu beobachten. Dafür gibt es mehrere miteinander verknüpfte Gründe: **1. Soziale und wirtschaftliche Umbrüche:** Die Wiedervereinigung brachte massive wirtschaftliche Veränderungen, vor allem in Ostdeutschland. Viele Menschen verloren ihre Arbeit, Betriebe wurden geschlossen, und die Arbeitslosigkeit stieg stark an. Diese Unsicherheit und Perspektivlosigkeit führten bei einigen zu Frustration und dem Gefühl, abgehängt zu sein. **2. Identitätskrise und Orientierungslosigkeit:** Mit dem Zusammenbruch der DDR und der Integration in die Bundesrepublik verloren viele Menschen gewohnte Strukturen und Werte. In dieser Phase der Unsicherheit suchten manche nach neuen Identifikationsangeboten, die von rechtsextremen Gruppen bereitgestellt wurden. **3. Schwache Zivilgesellschaft und fehlende Erfahrung mit Vielfalt:** In der DDR gab es kaum Zuwanderung und wenig Kontakt zu Menschen anderer Herkunft. Nach der Wiedervereinigung trafen viele Ostdeutsche erstmals auf größere Gruppen von Migrant*innen. Die Zivilgesellschaft war noch nicht stark genug, um dem aufkommenden Rechtsextremismus wirksam entgegenzutreten. **4. Politische und gesellschaftliche Versäumnisse:** In den 1990er Jahren wurde das Problem des Rechtsextremismus von Politik und Behörden teilweise unterschätzt oder nicht konsequent bekämpft. Dies ermöglichte es rechtsextremen Gruppen, sich zu organisieren und zu radikalisieren. **5. Sündenbockmechanismus:** In Zeiten wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit suchen Menschen oft nach Sündenböcken. Migrant*innen und Geflüchtete wurden von rechtsextremen Gruppen gezielt als solche dargestellt und für gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht. **6. Mediale Aufmerksamkeit und Nachahmungseffekte:** Rechtsradikale Gewalttaten wie die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen (1992) oder Hoyerswerda (1991) erhielten große mediale Aufmerksamkeit. Dies führte teilweise zu Nachahmungseffekten und einer weiteren Verbreitung rechtsextremer Einstellungen. **Fazit:** Die Zunahme von Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikaler Gewalt nach der Wiedervereinigung ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus wirtschaftlichen, sozialen, politischen und historischen Faktoren. Die Herausforderungen der Transformation, Unsicherheiten und fehlende Erfahrung mit Vielfalt haben dazu beigetragen, dass rechtsextreme Ideologien in Teilen der Gesellschaft Fuß fassen konnten. Weitere Informationen findest du z.B. bei der Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/lexikon-rechtsextremismus/244438/rechtsextremismus-in-ostdeutschland/

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